beziehungskolumne1

Monogamie
ein Auslaufmodell

Lilly | 26.11.2020

Ich starte sofort mal mit einem Tabu-Thema: Ich bin eine Verfechterin der offenen Beziehung. Auch wenn ich erst wenige feste Beziehungen hatte, war mir das eigentlich schon immer klar. Ich konnte es nur noch nicht benennen.

Ich fand es schon immer merkwürdig, wie gerade junge Menschen, ihr Umfeld imitierend, versuchen, sich in die Partner*innen Rolle zu zwängen, mit Vorsätzen und Ansprüchen, die sie selbst gar nicht recht verstehen.

Vielleicht kommuniziert man besser, wenn man älter ist. Vielleicht aber halt auch nicht. Häufig gehen Menschen Beziehungen ein, ohne sich (gegenseitig) zu fragen, was denn eigentlich ihre Vorstellungen, Grenzen und Ansprüche sind.

Ab den Teenie-Jahren soll bereits eine monogame, möglichst für immer haltende Partnerschaft eingegangen werden - What?
Und wenn es dann nicht klappt mit der Partnerschaft, dann liegt es natürlich an der Unerfahrenheit der Protagonist*innen- die müssen sich da erst noch reinfinden, das kann man halt nicht so ernst nehmen.
Naja. Erstens: Ich mag es nicht, wenn man junge Menschen nicht ernst nimmt. Es ist Quatsch, per se zu sagen, junge Menschen könnten keine Verantwortung übernehmen oder wüssten nicht, was sie täten.
Zweitens: Man imitiert ja das, was man so vorgelebt kriegt und das ist ehrlich gesagt gar nicht so anders.

Vielleicht kommuniziert man besser, wenn man älter ist. Vielleicht aber halt auch nicht. Häufig gehen Menschen Beziehungen ein, ohne sich (gegenseitig) zu fragen, was denn eigentlich ihre Vorstellungen, Grenzen und Ansprüche sind. Die monogame (meist natürlich auch heterosexuelle) Beziehung ist der Standard. So weit so gut, hier bleiben allerdings einige Fragen offen: Was bedeutet „fremdgehen“ für dich? Ist es okay, mit anderen zu flirten? Kann ich alleine mit Freund*innen in den Urlaub fahren? Die Auseinandersetzung mit solchen Fragen ist vor allem auch für die Auslotung der eigenen Grenzen von Bedeutung.
Vielleicht klingt das blöd, weil man ja nicht auf ein Date geht, und solche Dinge abfragt. Diese Themen kommen trotzdem meist erst dann auf, wenn es schon längst Probleme gibt. Dann ist Person 1 sauer auf Person 2, weil eine Grenze überschritten wurde, von der Person 2 aber vielleicht gar nichts wusste.

Was sich von jung zu alt nicht ändert, sind die Ansprüche. Ist es wahrscheinlich, dass man mit einem Menschen für immer zusammen bleibt? Dass man nie wieder eine andere Person (sexuell) attraktiv findet? Ist es nicht zu viel verlangt, dass eine einzige Person über einen langen Zeitraum, wie das ganze Leben all meine Bedürfnisse stillt - als beste*r Freund*in, Sexualpartner*in, Familie, Berater*in, usw.?
Vielleicht denkt ihr anders, aber für mich steht da bei allem ein klares Nein. Warum sollte ich dann daran festhalten? Warum sollte ich mich und meine*n Partner*in in ein künstliches Konstrukt aus Erwartungen hineinpressen, von denen wir nicht sicher wissen, dass es unsere eigenen sind? Eben.

Gerade wenn man ein ernsthaftes Interesse an einer längerfristigen Beziehung mit jemandem hat, ist es doch wichtig, sich mit dieser Person tiefergehend auseinanderzusetzen. Das bedeutet über Ängste und Wünsche zu sprechen und sich miteinander zu arrangieren, durch ehrliche Kommunikation eine Vertrauensebene zu schaffen. Und manchmal ist halt der*die Partner*in nicht die Person, mit der man am liebsten in den Urlaub fährt oder am liebsten Sport macht, man teilt ja auch nicht alle Interessen. Und manchmal - Achtung - ist der*die Partner*in auch nicht die Person, mit der man am liebsten Sex hat. Oder zumindest nicht die einzige.

Das Problem mit diesen Dingen ist, dass wir sie immer auf uns beziehen. Wir erwarten von uns, exklusiv der allerwichtigste Mensch in jemandes Leben zu sein, der immer an erster Stelle steht. Und wir vergleichen uns, denn wenn der*die Partner*in jemand anderen attraktiv findet, heißt das ja, dass wir weniger attraktiv und interessant sind - zumindest denken wir das (Spoiler Alert: es ist Quatsch). Verhältnisse zwischen Personen sind einzigartig. Ich denke nicht, dass man immer der*die Einzige für irgendwen sein muss, außer vielleicht für sich selbst. Außerdem - Sex kann ich theoretisch mit jeder Person haben, eine funktionierende Beziehung wohl eher nicht.
Ich wünsche mir, dass Menschen ehrlich zu sich sind, bereit, ihre Bedürfnisse kennenzulernen. Dass sie dafür einstehen und sich diesbezüglich auch auf das Gegenüber einzulassen. Das ist eine Mega-Challenge und sicherlich nicht für alle easy. Aber einen Versuch ist es definitiv wert.

Ihr interessiert euch für andere Beziehungsmodelle? Ich habe da  Lese-Tipps:


Es gibt auch ein Interview, wo er über offene Beziehung im Zusammenhang mit Familie bespricht.
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