Es ist Sommer 2023 und eine Trennungswelle bricht über meinen Freund*innenkreis herein. Die Gründe sind verschieden, man lebt sich auseinander, es gab Streit, es wurde betrogen. Das Übliche. Ist eben ein Scheiß-Jahr, es trifft grad irgendwie alle, oder? 

Nicht selten geht es aber auch darum, dass der männliche Partner Probleme mit sich selbst hat, die er auf die Beziehung projiziert. Dass er die Partnerin nicht in seine inneren Prozesse miteinbezieht, sondern sie mit Trennung überrascht und ihr den Boden unter den Füßen wegreißt, einfach so. Oder die Trennung nicht selbst vollzieht, sondern sie so lange emotional verhungern lässt, bis die Partnerin nicht mehr kann und Schluss macht. So individuell und vielschichtig die Gründe für die Trennung sind, so gibt es doch trotzdem immer eine strukturelle Komponente, die sich als Muster durch die allermeisten heterosexuellen Beziehungen zieht: Dass Männer einfach keine Verantwortung übernehmen. 


Eine Freundin schickt mir einen Text, der Geschichten von Frauen sammelt, die mit ihrem Partner zusammengezogen sind und den blanken Horror erleben, weil sie in ihm plötzlich ein (zusätzliches) Kind haben. Nicht wenige trennen sich, weil sie nicht mit jemandem zusammen sein wollen, den sie bemuttern müssen. 


Eine andere Freundin erzählt mir, dass ihre Oma ihren Opa, der Alkoholiker ist und sie verbal missbraucht, schützt, seinen Alkoholismus nach außen hin vertuscht. Sie selbst ist aufgrund dessen depressiv, sagt aber, es könne ja viel schlimmer sein, die jungen Frauen, inklusive meiner Freundin, wären viel zu anspruchsvoll und kompliziert und würden dadurch ihre Beziehungen zerstören. 


Eine weitere Freundin erzählt, dass ihr Freund einen echten Sauberkeitsfimmel habe. Diesen lebt er aber nicht etwa aus, indem er selbst viel putzt, nein – selbst wenn sie bei ihr Zuhause sind, erwartet er, dass sie alles picobello sauber hält. Er sagt ihr, sie solle doch bitte das Bett machen, sie könne das schließlich viel besser als er. Stichwort
Strategische Inkompetenz. 



„Immer messen wir mit zweierlei Maß, lassen Männern Dinge durchgehen, die man bei Frauen aufs Schärfste verurteilen würde.“

Ich höre Sophie Passmanns Pick me Girls und fühle mich ertappt: Immer messen wir mit zweierlei Maß, lassen Männern Dinge durchgehen, die man bei Frauen aufs Schärfste verurteilen würde. Ein Artikel von Die Chefredaktion bestätigt das, was mir und vielen Frauen in meinem Umfeld enorme Angst macht: “Ich glaube, meine politischen Werte haben mein Liebesleben ruiniert” heißt es da. Viele machen die Erfahrung, bereits einen von den “Guten” erwischt zu haben, der aufgeschlossen, sensibel, empathisch, angenehm, ja im Grunde feministisch unterwegs ist, und werden doch enttäuscht. Denn sich eigeninitiativ und aktiv mit Feminismus beschäftigen, etwa durch die entsprechende Lektüre, das tut kaum einer. Würde ich die Stunden zusammenrechnen, die ich bisher damit verbracht habe, an Beziehungen zu arbeiten, Podcasts anzuhören, mit anderen darüber zu sprechen und zu lesen, um meinen Partner besser verstehen und mich einfühlen zu können, so wäre wahrscheinlich ein halbes Jahr meines Lebens nur in Beziehungsarbeit geflossen. Zeit, in der ich mich nur mit ihm und uns anstatt mit mir beschäftigt habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Männer in meinem Leben einen nur irgendwie vergleichbaren Aufwand dafür betrieben hätten. 

 

Männer müssen nicht – vieles wird selbstverständlich für sie übernommen. Frauen tragen die Habseligkeiten ihrer Männer in ihren Taschen herum, immer an alles gedacht, sie putzen, waschen, sind wandelnder Terminkalender und erinnern an alltägliche Aufgaben. Mei, so sind sie halt, die Männer, gel, einfach ein bisschen schusselig und chaotisch! Männer sind ja auch “im Kopf weiter zurück” oder wie heißt das so oft? Ich möchte jetzt hier keine zu steilen Thesen aufstellen, aber ich vermute, dass da ein Zusammenhang besteht: Dass man(n) Dinge halt nicht kann, wenn man(n) sie nie lernen muss. Dass man länger Kind sein kann, wenn man keine Verantwortung übernehmen muss. Zwischen Hotel Mama und Hotel Freundin bleiben maximal ein paar Jahre, in denen die Pizza unter dem Bett schimmelt, welches nur einmal im Jahr neu bezogen wird.

Frauen leisten kostenlose Bildungsarbeit, lesen Bücher, üben sich in Empathie, reflektieren, kämpfen gegen Widerstände und denken tendenziell immer, es läge an ihnen, so dass sie weiterhin darauf bedacht sind, sich weiterzuentwickeln, sich zu optimieren. In der wenigen freien Zeit, die zwischen Weiterbildung, Haushalt, Care-Arbeit, Studium, Job und Sozialleben noch bleibt, rennen oder trauern sie Männern hinterher, die noch bei Mama wohnen oder nicht wissen, wie man Nudeln kocht. Die zocken, abhängen und sich Essen bestellen und den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigt sind als sich selbst – aber nicht etwa, indem sie nachdenken und persönliche oder strukturelle Themen aufarbeiten.


Sprechen Männer mit ihren Freunden darüber, wie diese sich gegenüber ihrer Freundin verhalten sollten? Ziehen Männer andere Männer für frauenfeindliches Verhalten in die Verantwortung? Oder sind es dann doch die weiblichen (platonischen) Freundinnen, die relevant werden, sobald es um etwas “Emotionales” geht? Beziehung erklären können die nämlich sehr gut, wo es den “Jungs” an Empathie fehlt.


Sophie Passmann schreibt in ihrem Buch, dass es ja mittlerweile zum guten Ton gehöre, dass sich
weiße Menschen mit Rassismus befassen, Nicht-Jüd*innen mit Antisemitismus usw., dass Männer aber trotzdem nur Literatur von Männern lesen, weil diese nach wie vor als allgemeingültiger angesehen wird. Weil Männer seit jeher über Männer schreiben und so tun, als würden sie über Menschen schreiben. Frauenliteratur, das ist nur was für Frauen. Mädchenkram. 


Ich finde es peinlich, dass Männer zwar höchst bedacht darauf sind, jedmögliche Führungsposition zu bekleiden, ein hohes Tier in irgendeinem Verein oder einer Partei zu sein, dass sie kein Problem haben, sich in einen Podcast zu setzen und zwei Stunden vor sich hin zu labern, ohne Expertise zu allem eine Meinung zu haben.
Aber sich dann schier verweigern, in ihrem Privatleben irgendeine Verantwortung zu übernehmen. Weder für sich, noch für andere.