Christiane:
Für mich war es interessant, diese Thematik mit Musical-Musik zu kombinieren. Das hat es spannend gemacht auf der Theater-Ebene. Kunst ist doch eine Überhöhung - und das braucht das Publikum, um eine Katharsis durchzumachen, wie Aristoteles in seiner Dramentheorie besagt. Deshalb heißt das Ding auch „Theater spielen“. Theater soll berühren, soll einen mitnehmen. Man darf sich auch gerne identifizieren. Aber in dem Moment, wo ich den Theaterraum wieder verlasse, ist Annette einfach Annette. Und nichts anderes. Es gibt extreme Sachen, da kann es dir als Darsteller passieren, dass du es nimmer so ganz genau weißt. Aber es sollte nicht so sein.
Das Stück ist nur für eine Person konzipiert?
C.:
Genau, es ist eine Konzentration auf einen Menschen, der diesen Abend bestreitet. Das Stück nimmt das Publikum sozusagen als Komplizen mit. Die Familie der Figur ist nicht da und sie hat eigentlich nur das Publikum, mit dem sie die Nacht vor der OP verbringt. Und das ist eigentlich das, was auch die Nähe ausmacht, wo das Publikum unmittelbar mitgenommen wird. Auf diese nächtliche Reise in die Vergangenheit.
Warum, glaubt ihr, gibt es so viele Menschen, die damit nach wie vor ein Problem haben?
C.:
Ich denke, es ist für sie eine Bedrohung in ihrer Sicherheit - und wir sehen hier in der Corona Krise:
Sicherheit ist das aller-aller-allerwichtigste.
Dummerweise, das sag ich immer,
gegen alles kann man sich einfach nicht versichern.
Du kannst es gerne
versuchen, aber da sperrst du dich sehr stark ein. Und das ist, glaub ich, der Punkt. Es ist eine Art Verunsicherung. Wie gehe ich damit um? Oder was ist das? Aber ich habe nicht das Gefühl, dass die Verurteilung stark ist, es dreht sich eher um die Frage, wie ich mich verhalten soll.
Jetzt wollte ich abschließend noch fragen: Was erwartet denn die Leute in eurer Inszenierung?
C.:
Es ist auf jeden Fall ein Theaterstück mit wirklich guter Musik. Es hat auch sehr lustige Momente. Ich denke, dass mein größtes Ziel Kurzweil ist. Ich glaube, das Stück ist in keiner Sekunde langweilig. Was jetzt jeder für sich selber mitnimmt, hat oft natürlich auch mit der Startlinie zu tun. Wie gehe ich da rein, was spricht mich besonders an? Ich selbst merke beim Proben immer wieder, wie ich Gänsehaut kriege oder wie ich sehr berührt bin. Es werden sicherlich viele da sein, die nicht transgender sind, die aber diese Art der Ablehnung auch kennen. Selbst in der Familie, und da muss es nicht diese Art der Problematik geben. Das ist, glaub ich, auch das, was Annette angesprochen hat. Da kann man ausgehend von diesem Thema auch sehr viel bei sich finden.