Ein wenig Farbe

Ein wenig Farbe im Hofspielhaus

Am 28.10.2020 feiert Ein wenig Farbe am Münchner Hofspielhaus Premiere, ein Ein-Frau-Stück mit Annette Lubosch unter der Leitung von Christiane Brammer. Uraufgeführt wurde es bereits 2018 an der Theatercouch in Wien vom Komponisten Rory Six selbst, mit Pia Douwes in der Hauptrolle. Während des Corona-Lockdowns stellte er das Stück drei Tage lang frei zugänglich auf Youtube zur Verfügung, wo es dann Annette Lubosch in die Hände fiel.

Nach einigen Überlegungen tat sie sich mit Christiane Brammer zusammen und die Hofspielhaus-Fassung ward geboren. Die beiden Kunstschaffenden sind wahre Multitalente. Während Brammer nicht nur Regie führt, sondern auch selbst Schauspielerin ist und als Intendantin des Hofspielhauses glänzt, präsentiert Lubosch ihr Können als Musical-Darstellerin, Opernsängerin, Schauspielerin und ebenfalls Regisseurin. Wir haben einfach mal frech nach einem Interview gefragt – und wurden prompt eingeladen.
[Wir sitzen zunächst nur mit Annette Lubosch im Hofspielhaus zusammen.]

Kannst du in eigenen Worten kurz zusammenfassen, worum es in Ein wenig Farbe geht?

Annette: Es geht primär um Klaus, der zu Helena wird. Klaus ist eine Transgender-Frau, die schon relativ früh festgestellt hat, dass sie irgendwie im falschen Körper gelandet ist. Aber trotzdem ein Leben geführt hat, das der Norm entspricht, den gängigen Vorstellungen der Gesellschaft. Wir befinden uns in der Nacht vor der geschlechts-angleichenden OP. Helena ist eigentlich physisch schon total bei der Frau angekommen, es fehlt eben nur noch die letzte OP. Sie erzählt in der Nacht, weil sie nicht schlafen kann, von ihrem Leben und den Erfahrungen, die sie damit gemacht hat.

Seid ihr zusammen auf die Idee gekommen, das Stück aufzuführen?

A.: Nein, das war tatsächlich meine Idee. Erstmal hat mich das Thema letztes Jahr schon aus dem Nichts angesprungen, weil ich einen Kollegen kennengelernt hab [der selbst Trans ist]. Da hab ich irgendwie gedacht, wir müssen irgendwie The Danish Girl als Theaterstück machen. Dann habe ich das aber erstmal so ein bisschen auf Eis gelegt. Jetzt wurde ja während des Corona- Ausbruchs extrem viel abgesagt und ich hab mir überlegt: Was kann man für kleine Sachen machen? Wo nur so ein, zwei Leute auf der Bühne stehen, dass man die Möglichkeit hat, trotz alledem zu spielen. Und dann kam im Lockdown zufällig der Youtube-Link der Theatercouch in Wien. Ich hab mir das Stück angeschaut und dachte mir – Wow, das ist es. Ich habe Christiane den Link weitergeschickt, sie hat es sich angeschaut und sofort gesagt: Wir holen uns die Rechte.

Im April hätte das Stück in Berlin aufgeführt werden sollen, mit Uwe Kröger in der Hauptrolle. Wie stehst du zur Besetzung der Rolle mit einem Mann? Wie ist es für dich, diese Rolle zu spielen?

A.: Das war interessant, denn am Anfang – ich bin ja auch Regisseurin – habe ich das mit Christiane besprochen und wir haben lange drüber diskutiert, sie hat mir freigestellt, ob ich selbst spielen oder Regie machen will. Ich habe lange drüber nachgedacht, dann habe ich mich entschieden, selbst zu spielen. Da fängt natürlich irgendwann der Zweifel an; du probst so vor dich hin und denkst dir: War das richtig? Ich habe dann Tessa Ganserer getroffen [eine Grünen-Politikerin, die selbst eine Transfrau ist]. Wir hatten ein Gespräch, für das sie mich in ihr Büro eingeladen hat und es war total nett. Danach war ich beruhigt, weil ich wusste, dass es richtig ist, dass das eine Frau spielt und dass Ich das spiele. Weil, ja, letztendlich geht es ja um eine Frau.
Ja, das stimmt, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Was bedeutet denn Männlichkeit und Weiblichkeit für dich persönlich?

A.: Da habe ich mir auch viele Gedanken drüber gemacht. Ich glaube, wo unser Weg inzwischen gesellschaftlich hingeht, ist, dass die Grenzen verschwimmen. Ich denke, jeder Mensch trägt beides zu gewissen Teilen in sich und man muss lernen, da für sich persönlich eine Balance zu finden. Das hat ganz oft was mit dem eigenen inneren Prozess des Männlichen und Weiblichen zu tun. Das war meine Quintessenz nach den ganzen Überlegungen. Ich bin ja auch eine Frau, die viele „männliche“ Anteile in sich trägt, also welche, die man als typisch männliche Verhaltensweisen wahrnehmen würde. Und das ist tatsächlich in unserer Gesellschaft viel akzeptierter, dass eine Frau männliche Verhaltensweisen annimmt, als andersherum. Und ich glaube, das ist gerade am Aufweichen. Ich finde, es ist genauso legitim, dass ein Mann weibliche Anteile in sich trägt und die auch leben darf.

Was ist für dich das Wesentliche bei dieser Rolle?

A.: Das Übergeordnete an diesem Stück ist, dass diese Figur letztendlich nur eine Metapher ist, durch die noch ein ganz anderes Thema beleuchtet wird. Eigentlich geht es darum, dass ein Mensch sich selber oder zu sich selber findet und dass man zu sich steht. Tessa Ganserer hat bei unserem Gespräch gesagt, das ist, wie wenn du dein Leben lang eine Rolle spielst und eigentlich nur auf der Bühne du selber sein kannst. Und ich glaube, das geht eben so viele Menschen was an, weil egal, ob das jetzt mit Äußerlichkeiten zu tun hat, es ein innerer Prozess ist. Ich glaube, dass ganz viele Menschen eine Rolle spielen im Leben und gar nicht sie selbst sind, gar nicht den Mut haben, zu sich selbst zu stehen.  

Transidentität ist gerade als nicht betroffene Person ein sehr sensibles Thema, vor dem man sicherlich Respekt hat. Wie ist da deine Herangehensweise?

A: Ich habe sehr viel darüber gelesen und einige Dokus angesehen, mich schon viel damit beschäftigt. Aber das, was einen berechtigt, als jemand, der eben nicht betroffen ist, diese Rolle zu spielen, ist, dass man man selbst ist. Das ist mir wirklich wichtig. Es geht darum, dass dein Innerstes stark werden soll. Egal, ob du jetzt Mann oder Frau oder cis oder etwas anderes bist, das ist eigentlich völlig egal. Es geht um eine innere Haltung, glaub ich. 

Nachdem wir nun relativ viel über den Transgender-Aspekt gesprochen haben, noch eine etwas andere Frage: Das Stück ist ja ein Musical. Welche Rolle spielt die Musik? [An diesem Punkt stößt Christiane Brammer zu uns.]  

A: Also die Musik ist schon sehr präsent. Sie macht von dem Stück vielleicht 60-70% aus.
Christiane: Für mich war es interessant, diese Thematik mit Musical-Musik zu kombinieren. Das hat es spannend gemacht auf der Theater-Ebene. Kunst ist doch eine Überhöhung - und das braucht das Publikum, um eine Katharsis durchzumachen, wie Aristoteles in seiner Dramentheorie besagt. Deshalb heißt das Ding auch „Theater spielen“. Theater soll berühren, soll einen mitnehmen. Man darf sich auch gerne identifizieren. Aber in dem Moment, wo ich den Theaterraum wieder verlasse, ist Annette einfach Annette. Und nichts anderes. Es gibt extreme Sachen, da kann es dir als Darsteller passieren, dass du es nimmer so ganz genau weißt. Aber es sollte nicht so sein.

Das Stück ist nur für eine Person konzipiert?

C.: Genau, es ist eine Konzentration auf einen Menschen, der diesen Abend bestreitet. Das Stück nimmt das Publikum sozusagen als Komplizen mit. Die Familie der Figur ist nicht da und sie hat eigentlich nur das Publikum, mit dem sie die Nacht vor der OP verbringt. Und das ist eigentlich das, was auch die Nähe ausmacht, wo das Publikum unmittelbar mitgenommen wird. Auf diese nächtliche Reise in die Vergangenheit.

Warum, glaubt ihr, gibt es so viele Menschen, die damit nach wie vor ein Problem haben? 

C.: Ich denke, es ist für sie eine Bedrohung in ihrer Sicherheit - und wir sehen hier in der Corona Krise: Sicherheit ist das aller-aller-allerwichtigste. Dummerweise, das sag ich immer, gegen alles kann man sich einfach nicht versichern. Du kannst es gerne versuchen, aber da sperrst du dich sehr stark ein. Und das ist, glaub ich, der Punkt. Es ist eine Art Verunsicherung. Wie gehe ich damit um? Oder was ist das? Aber ich habe nicht das Gefühl, dass die Verurteilung stark ist, es dreht sich eher um die Frage, wie ich mich verhalten soll. 

Jetzt wollte ich abschließend noch fragen: Was erwartet denn die Leute in eurer Inszenierung? 

C.: Es ist auf jeden Fall ein Theaterstück mit wirklich guter Musik. Es hat auch sehr lustige Momente. Ich denke, dass mein größtes Ziel Kurzweil ist. Ich glaube, das Stück ist in keiner Sekunde langweilig. Was jetzt jeder für sich selber mitnimmt, hat oft natürlich auch mit der Startlinie zu tun. Wie gehe ich da rein, was spricht mich besonders an? Ich selbst merke beim Proben immer wieder, wie ich Gänsehaut kriege oder wie ich sehr berührt bin. Es werden sicherlich viele da sein, die nicht transgender sind, die aber diese Art der Ablehnung auch kennen. Selbst in der Familie, und da muss es nicht diese Art der Problematik geben. Das ist, glaub ich, auch das, was Annette angesprochen hat. Da kann man ausgehend von diesem Thema auch sehr viel bei sich finden.

"Ich glaube, dass ganz viele Menschen eine Rolle spielen im Leben und gar nicht sie selbst sind, gar nicht den Mut haben, zu sich selbst zu stehen."  

Ihr habt Interesse?

Das Stück ist an folgenden Tagen im Hofspielhaus zu sehen:


Premiere: Mi, 28. Oktober, 20:00 Uhr


Freitag, 30. Oktober, 20:00 Uhr


Donnerstag, 05. November, 20:00 Uhr


Samstag, 07. November, 20:00 Uhr


Sonntag, 15. November, 18:00 Uhr


Donnerstag, 19. November, 20:00 Uhr


Freitag, 20. November, 20:00 Uhr


Donnerstag, 03. Dezember, 20:00 Uhr


Samstag, 12. Dezember, 20:00 Uhr


Karten bekommt ihr über das Reservierungsformular oder an der Abendkasse. Support your local theatre!

Du möchtest mehr über Transidentität erfahren? Hier sind ein paar Links, die wir zu dem Thema gefunden haben: 
  • https://www.dak.de/dak/gegen-bodyshaming/transgender-wer-bin-ich-eigentlich-2226368.html#/
  • http://im-falschen-koerper.de/bin-ich-trans/
  • https://www.deutschlandfunk.de/transsexualitaet-ich-bin-trans-sicher.740.de.html?dram:article_id=479041
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