Geschlechterkampf im Reality TV

Simone Bauer | 11.09.2025

Ganze 25 Jahre ist es her, dass Menschen wie du und ich erstmals beschlossen haben, "ins Fernsehen" zu gehen – mit Big Brother ging der Reality-TV-Hype los. Dabei ist diese Dokumentation des "normalen Lebens" auch ein Abbild unserer Gesellschaft. Ein Trend geht derzeit dorthin, genau das aufzugreifen, was man auch in der Realität spürt: Eine Verhärtung der Fronten zwischen Mann und Frau. Oder ist das alles nur Einbildung?


Es gibt verschiedene Gattungen von Reality-TV-Shows, eine davon ist die, in der man einzeln oder im Team um eine Geldsumme kämpft. Strategisches Kämpfen macht diese Sendungen sehr spannend, Allianzen werden geschlossen – und seit neuestem: "Girls gegen Boys", wie es die Protagonist*innen selbst nennen würden, also sich gegenseitig unterstützen, um ja nicht das andere Geschlecht gewinnen zu lassen. Stark herauskristallisiert hat sich das bereits in der ersten Staffel von "The 50" (2024) – und setzte sich in der zweiten fort. Es geht darum, neunundvierzig Mitstreiter*innen auszuschalten und nicht nur den Geldpreis zu gewinnen, sondern auch den Siegertitel.


„Wenn die Männer kein Männerding machen würden, würden wir auch kein Frauending machen – also schon, aber

nicht so“

Da in der Show taktisch vorgegangen werden muss, rotteten sich die Männer schnell zusammen. Doch nicht mit Cecilia Asoro! Sie und einige weitere Frauen bemerkten die Strategie recht schnell, dass erst die vermeintlich "schwachen" Frauen rausgekickt werden sollten (wobei es eigentlich zielführender wäre, "starke" Gegner*innen zu eliminieren) und boten mit ihrer weiblichen Allianz die Stirn. Zwei Frauen zogen ins Finale ein, Christina Grass (bekannt durch die Datingshow "Der Bachelor") und Raffa Plastic (YouTuberin), die schließlich gewann. Weiblicher Zusammenhalt zahlt sich eben aus.


"Wenn die Männer kein Männerding machen würden, würden wir auch kein Frauending machen – also schon, aber nicht so", erklärte Cecilia erst wütend, dann grinsend. Reality-TV ist seit jeher der Spiegel der Gesellschaft, ein so ungefiltertes Agieren, dass es überall seine Fans findet. Oft verpönt, doch "Guilty Pleasure" von so vielen, dass fast monatlich neue Shows ausgespuckt werden.

Als Big Brother das erste Mal im deutschen Fernsehen lief, war die Diskussion groß. Ist es ethisch vertretbar, Menschen einzusperren und 24 Stunden lang zu filmen? Noch heute ist das eines der härtesten Formate, da ein Kontakt zur Außenwelt nur im seltensten Fall stattfinden kann. Der Name leitet sich von George Orwells Roman ab, und während es dort um eine Dystopie geht, stellen sich inzwischen viele Menschen in Realityshows begeistert der konstanten Überwachung.


Nachdem Reality TV sein Hoch an Kultigkeit vor einigen Jahren schon erreicht hat, werden die Zuschauer*innen aber auch langsam müde. Denn durch das Überangebot und den großen Traum, ein Star zu werden, versuchen sich die Protagonist*innen endlos zu überbieten. Die vielen Formate tragen noch dazu bei, in einem Strudel aus zeitversetzt ausgestrahlten Sendungen auf unterschiedlichen Sendern und Streamingplattformen ohnehin nicht mehr richtig durchzublicken, die Timeline nicht mehr zu checken. Denn wer den Protagonist*innen nicht auch noch auf Social Media folgt, kriegt die meisten Streitigkeiten dann schon gar nicht mehr mit. 


Schade ist auch, wie wenig der "Geschlechterkampf" thematisiert wird, ja, es langweilt gar, wie häufig "Mädels gegen Jungs" ohne Einordnung vorherrscht. Bei den meisten Herren werden schon Voreingenommenheiten klar, wenn beispielsweise bei der letzten Staffel "Forsthaus Rampensau" bei der ersten Nominierung zum Rauswurf aus der Sendung komischerweise zwei von drei rein weiblichen Teams ausgewählt werden.


Nun sind Reality-Shows nicht gerade der geeignete Ort, um sich selbst zu reflektieren. Vielleicht höchstens in "Das große Promibüßen", wonach die eine oder der anderezumindest einige Lebensstellschrauben geändert haben soll. Das ist aber genauso eine Seltenheit im Reality-TV wie Feminist*innen. Ein Beispiel ist Henna ("Are You The One"), die ihren TikTok-Account nutzt, um über Red Flags aufzuklären. Doch bei den Cis Heteromännern? Man muss nicht mal die Dating-Shows schauen, um ihre herabwürdigenden Kommentare FLINTA*s gegenüber zu hören. Und viele schützten in einem jüngsten Ereignis öffentlichkeitswirksam lieber den mutmaßlichen Täter als das mutmaßliche Opfer


Reality-TV ist der Spiegel der Realität und der struggle ist tatsächlich real. Insofern ist es auch nur realistisch, wie derzeit die Geschlechter kämpfen, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Reality TV ist für viele Konsument*innen auch zum Vorbild geworden. Sie feiern ihre Stars ab, wollen so sein wie sie. Da werden frauenfeindliche Sprüche schnell übernommen, wenn sie nicht eingeordnet werden. So wie beim aktuellen "Die Bachelors". Hier reduzieren beide Männer bis zum Finale die Teilnehmerinnen fast ausschließlich auf ihr Äußeres.  Jede Interviewantwort beinhaltet Kommentare über ihr Aussehen, selten über ihren Charakter. Auch das verstärkt Stereotypen: Die Machomänner, die schönen Frauen. Es erfolgt dabei keine Einordnung, nur von außen, wie in den unzähligen sehr guten Trash-TV-Podcasts ("Der Bätchcast") und Youtube-Formaten (@mirellativegal). So wird durch RTL zum Rückschritt dessen beigetragen, an dem so viele Frauen pausenlos arbeiten: Nicht nur das schöne Beiwerk eines Mannes zu sein, sondern eine eigenständige Person. Denn Moderatorin Frauke Ludowig ging beim Wiedersehen der "Bachelors" keine Sekunde darauf ein, dass es Bachelor Felix laut O-Ton nur darum ging, wer an seiner Seite gut wirken könnte. Oder dass er recht spät den Beruf einer Kandidatin erfuhr. Weil er schlicht nicht gefragt hat.


Es geht aber auch anders: "Princess Charming", die FLINTA*-Dating-Show, die vor kurzem  in die  fünfte Staffel gestartet ist, wurde  für vielerlei Aufklärung gefeiert, wie zur inklusiven Sprache. Vielleicht schaffen es ja Cecilia und Co., zu anderen durchzudringen. Zu wünschen wäre es ihnen. Sodass wir künftig noch mehr feministische Frauen sehen, die sich beim Dating nehmen, was sie wollen, ohne gleich beleidigt zu werden. Die Wettbewerbe gewinnen, weil sie fair waren – und  eben die besseren.