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Klimapolitik - bislang ein Kuschelkurs

Cyberliz | 28.10.2021

Wenn über die Klimakrise in Deutschland geredet wird, dann müssen wir über die Automobilindustrie als Teil des fossilen Kapitalismus reden. Der Konsens gerade von CDU bis zu den Grünen ist, dass der Antriebswechsel von Verbrenner auf Elektro ein ausreichender Beitrag für die Verkehrswende wäre. Und das, obwohl ein E-Auto in der Produktion 17 Tonnen CO2 verbraucht, während ein Golf nur 7 benötigt. Langfristig braucht ein E-Auto zwar weniger Emissionen, aber schaut man sich die Logik der heutigen Wirtschaftsweise an, spiegelt sich hier keinerlei Nachhaltigkeit.

Die öffentliche Debatte dreht sich meist darum, wie wir unsere Wirtschaft ökologischer gestalten bzw. transformieren können. Demnach versprechen Politik und Wirtschaft durch Innovationen, Digitalisierung und Technologien, die große Rettung für das Klima zu sein. Besonders im Wahlkampf für die Bundestagswahl 2021 wurde deutlich, dass die demokratischen Parteien für eine Wiederwahl nicht mehr an dem Thema vorbeikommen. Meistens werden die Klimafragen allerdings nur darauf reduziert, wie viel mehr E-Autos, Windräder und Solaranlagen wir brauchen. Also, wir brauchen noch mehr Dinge, um die Katastrophe aufzuhalten. Insbesondere auf globaler Ebene ist das aber noch keine Lösung für die wachsende soziale Ungleichheit in aktuellen Krisen - sowohl in der Corona- als auch Klimakrise. Es zeigt vor allem eins: Wie auf Privatisierung des Problems gesetzt wird. 


Das Ganze wird an einem lokalen Beispiel greifbar:
Der Staat subventioniert eine Tesla-Fabrik in Brandenburg in Milliardenhöhe. Das Projekt ist höchst umstritten. Die neue SUV-E-Auto Produktions- und Batteriezellenfabrik benötigt nämlich 30% der Grundwasservorkommnisse in der Region. Der lokale Wasserverband warnte öffentlich davor, dass es hier in der Zukunft zu Versorgungsengpässen kommen könne. Ein Elon Musk weiß das alles. Er hat mit Armin Laschet gemeinsam vor der Kamera eine Reporterin ausgelacht, die ihn auf diese Fakten hinwies. Noch gravierender sieht seine Unternehmenspolitik in Bolivien aus, eines der Länder mit der größten Menge an Lithium. Als die extreme Rechte dort 2019 einen Putsch gegen die Linksregierung von Evo Morales durchgeführt hat und Musk auf Twitter der Einflussnahme bezichtigt wurde, antworte er darauf “wir putschen, wen wir wollen”. Er löschte den Tweet wieder. 


Aber was interessiert ihn eigentlich die Politik in Bolivien? Weil die Rechten in Bolivien sowie in Chile und Argentinien auf die Privatisierung setzen wollen. Diese Länder haben neben China die größten Vorkommnisse von Lithium.
Lithium ist das neue “weiße Gold” und es gibt gerade immens hohe internationale Konkurrenz um den Rohstoff. In Argentinien und Chile expandiert die Privatwirtschaft bereits auf Kosten der Arbeiter:innen und Umwelt. Besonders heikel ist der Lithiumabbau deshalb, weil er immense Mengen an Grundwasser benötigt. ähnlich wie auch Nickel, Kobalt oder insbesondere andere seltenen Erze, die für digitale Technologien benötigt werden. Hinzu kommt, dass laut Amnesty International immer mehr Berichte von höchst menschenverachtenden Arbeitsbedingungen ans Tageslicht kommen. Die Digitalisierung und Umstellung auf E-Mobilität bedeutet erstmal einen riesigen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, der wie andere Industriesektoren historisch gewachsen ist durch die Ausbeutung von Mensch und Natur. 

Wissen die politischen Akteur:innen hierzulande denn eigentlich nicht, auf wen sie sich da eingelassen haben? 2019 erst urteilte ein Gericht in den USA, Musk habe Arbeiter:innen gedroht, dass ihre Aktienoptionen verlieren, wenn sie Gewerkschaften beitreten. In der Coronakrise widersetzte er sich der Anordnung des Bundesstaates Kalifornien, sein Werk zu schließen. Konsequenzen gab es für ihn nicht. Ohne Arbeitsschutz mussten die Arbeiter:innen weiter schuften. Das ist also der vergötterte Tech Guru im Silicon Valley, der gegen Regeln verstößt, seine eigene Macht ausspielt, die nur seinen Profiten dient und nicht denen, die sie erarbeiten. Vertrauen in einen Mann oder allgemein in Megakonzerne zu setzen, die nach einer kapitalistischen Logik funktionieren, ist brandgefährlich. Denn wenn ein US-Konzern-Chef sagt, dass er putscht, gegen was er will, dann macht er deutlich, dass er alte ausbeuterische Mittel als legitim erachtet, um die einigen Profite zu sichern, eben nach dem Motto: Koste es was es wolle.


Und trotzdem scheint die Strategie mit Kooperation der Politik aufzugehen. Nur Monate nachdem das Bundesinnenministerium bekannt gab, dass es Lithium-Batterie-Standort werden möchte und enorme Subventionen dafür bereitstelle, gab Tesla den Bau der Fabrik in Brandenburg bekannt. Das nutzen auch andere große Automobilkonzerne aus.
Aus vergangenen Krisen haben wir gelernt, dass der freie Markt nicht die Lebensgrundlage der Menschen regeln kann. Sei es bei der Finanzkrise, als Steuerzahler:innen die großen Banken retten mussten, oder in der Coronakrise, wo der Staat einschreiten musste und es getan hat, um schlimmere Folgen für unsere Gesellschaft, doch insbesondere für die Wirtschaft abzufedern. Hier war zu beobachten, dass die Automobilindustrie immense Summen an Fördergeldern bekommen hat, während die Pfleger:innen in den Krankenhäusern sich neben einer kleinen Prämie mit Applaus begnügen mussten. Die immensen Staatsausgaben an die Megakonzerne werden dann mit der Umstellung auf E-Mobilität, dem Erhalt der Arbeitsplätze und den Zukunftsinvestitionen begründet, die halt immense Ausgaben bedeuten würden. Doch was endlich verstanden werden muss ist, dass Klimakrise und Coronakrise soziale Krisen sind. Es braucht dringend eine neue Denkhaltung in der Gesellschaft, die ihre politische Wirksamkeit insofern zurückbekommt, als dass sie neue Werte und Normen definiert und diejenigen ahndet, die sie missachten. Sonst wird es weitergehen wie bisher: Es gibt Profiteur:innen und diejenigen, die darunter leiden müssen. So rasen wir weiter mit E-Autos anstatt mit Verbrennern auf die Katastrophe zu.

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