Geschichte neu lernen
„Ein Mann der sich Kolumbus nannt, widewidewitt bum bum“
… Ja genau, der Kolumbus aus dem Kinderlied. Aber wer ist denn dieser Mann? Der „Entdecker“ der „Neuen Welt“ ist er auf jeden Fall nicht!
Ein wichtiger Bestandteil des dekolonialen Diskurses stellt der Eintritt der Amerikas in die Weltgeschichte dar. So ist das Jahr 1492 der Beginn für die Kolonialität und Modernität, die wiederum die Geburt des kapitalistischen Weltsystems ermöglichten. Europa erlangte als Teil eines neuen globalen Machtmodells die Kontrolle über Subjektivität, Kultur und vor allem über alle Formen der Wissensproduktion. Die kolonisierte Bevölkerung war gezwungen, die Kultur der Herrschenden teilweise oder ganz zu adaptieren. Vor allem sind religiöse Praktiken davon betroffen. Somit ergibt sich langfristig eine Kolonisierung der kognitiven Perspektiven und der Vorstellungswelt. Einen Eurozentrismus, den wir in sämtlichen Bereichen der Wissenschaft, auf Karten oder in der Geschichtsschreibung finden.
“Betrachtet man die im 19. und frühen 20. Jahrhundert vergebenen Straßennamen genauer, fällt die symbolisch aufgeladene Bedeutung und identitätsstiftende Zielsetzung von Straßenbenennungen in dieser Zeit auf. Vaterländische und patriotisch-nationalistische Bezüge sind dabei ebenso festzustellen [...] Neben der Erinnerung an militärische Großereignisse, an deren Orte und an beteiligte Akteure stand dabei häufig die „Ehrung verdienter Männer“ im Mittelpunkt. Von Frauen war zu dieser Zeit noch nicht bzw. nur in Ausnahmefällen die Rede”
Doch was hat das alles jetzt mit Kolumbus zu tun?
Es ist klar, dass ein einzelner Mensch nicht für die gesamten Kolonisierungsprozesse verantwortlich gemacht werden kann, jedoch verkörpert seine Gier nach Macht und Ruhm eben diese eurozentristische und sich über alles stellende Haltung. Eine Gier, die sich in den Genoziden, Plünderungen und der schrittweisen Einführung des Sklavenhandels widerspiegelt. Warum sollten wir dann weiterhin diesen Menschen mit Straßen- und Platznamen ehren und glorifizieren?
Man muss diese Persönlichkeiten in den damaligen Kontext setzten, denn wir können nicht die Geschichte ändern. (Bekanntes Gegenargument)
Ja klar, man muss es in den damaligen Kontext setzen. Beim politischen Ikonoklasmus oder bei Straßenumbenennungen geht es aber auch nicht darum, die Geschichte auszulöschen, sondern aus ihr zu lernen, Betroffenen zu gedenken, die darunter gelitten haben und oft immer noch darunter leiden. Und natürlich Massenmörder und Rassisten nicht zu ehren! Und es ist keine Lösung sich rauszureden, indem man sagt: „Ja… aber früher waren die Menschen einfach anders gestrickt und es herrschten andere Wertvorstellungen“. Es wird die ganze Zeit über Geschichte geredet. Dabei wird vergessen, dass wir auch gerade jetzt Geschichte schreiben. Stadtbilder haben sich immer geändert und werden sich immer ändern - worin liegt also das Problem, sehr kritische Statuen zu beseitigen oder zu verändern? Oder fühlt sich vielleicht jemand in seinem Weltbild angegriffen?
Quellen:
- Walter D. Mignolo: The Idea of Latin America. Malden: Blackwell Publishing, 2005.
- Aníbal Quijano: Kolonialität der Macht, Eurozentrismus und Lateinamerika. Berlin: Turia + Kant, 2000.
- Man nehme zum Beispiel die Weltkarte mit denen die meisten tagtäglich konfrontiert werden – die Mercator Projektion. Eine Weltkarte in der Europa immer im Zentrum abgebildet wird und flächenmäßig sehr groß ist, jedoch eine komplett falsche Darstellung was die Landmassen betrifft ist. link zum rumspielen mit der Peterson Projektion: www.thetruesize.com
- https://www.muenchen-transparent.de/dokumente/4067396
- Castro Varela María do Mar und Nikita Dhawan: Postkoloniale Theorie. Bielefeld: transcript Verlag, 2020.
- Tzvetan Todorov: Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1985.
- Eduardo Galeano: Die offenen Adern Lateinamerikas. Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 1971.
- Erster Brief von Kolumbus, 1492
Du bist gegen die Verehrung von Kolumbus in unseren Städten? Hier ist eine Petition, die die Umbenennung des Kolumbusplatz in München bewirken soll: https://www.openpetition.de/petition/online/kolumbusplatz-strasse-umbenennen.
Dort findest du auch noch mehr Information und Hintergründe zu dem Thema.
"Wir – CAMBIO – möchten im Rahmen des Projektes “Umbenennung des Kolumbusplatzes/-straße” zusammen mit Münchner Bürger:innen zur Aufarbeitung kolonialer Geschichte der Stadt beitragen. Dazu beabsichtigen wir, den Dialog über koloniale Straßennamen Münchens erneut ins Rollen zu bringen. Unser Ziel ist es, eine Umbenennung des Kolumbusplatzes/-straße sowie der dazugehörigen U-Bahnstation in die Wege zu leiten. Denn durch die bestehende Benennung wird Geschichte verherrlicht und idealisiert."