Pro Choice - auch Schwangerschaft erfordert Konsens!

Stella | 21.09.2022

Der folgende Text ist die Rede unserer Autorin Stella beim Slutwalk München 2022. CN: Schwangerschaftsabbruch, Vergewaltigung.


Fotocredit: Karin Moser


Der diesjährige Slutwalk steht unter dem Motto „Konsens ist sexy“. Konsens bezieht sich aber nicht „nur“ auf Sex, sondern Konsens ist auch ein wichtiges Thema, wenn es um die Folgen von Sex geht, wird dort aber viel zu selten diskutiert.

Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung ist ein Zusammenschluss aus verschiedenen Initiativen, Organisationen, Parteien und Privatpersonen, das sich für die reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung aller Menschen einsetzt. Das heißt, wir fordern sowohl wertungsfreie und sichere Schwangerschaftsabbrüche als auch eine Reform der Familien- und Reproduktionsrechte marginalisierter Gruppen wie queeren Menschen, Alleinerziehenden oder Menschen mit Behinderung. Auch sprechen wir uns ausdrücklich für die Rechte von Trans*personen aus.

Um eine Schwangerschaft auszutragen, MUSS Konsens mit der austragenden Person bestehen. Man sollte sich nicht nur für oder gegen Sex entscheiden können, sondern auch für oder gegen eine Schwangerschaft. Sogenannte Lebensschützer*innen stellen Schwangerschaften oft vereinfacht dar, ohne die tatsächlichen wirtschaftlichen und körperlichen Auswirkungen auf die austragende Person zu berücksichtigen, ganz zu schweigen von den psychischen Folgen, eine ungewollte Schwangerschaft austragen zu müssen. Die Entscheidung, eine Schwangerschaft auszutragen oder abzubrechen liegt bei der betroffenen Person und bei niemandem sonst. Auch das ist Konsens.

Die Aufhebung des Roe vs. Wade Gesetzes in USA zeigt uns hochaktuell die fatalen Auswirkungen, wenn Konsens mit der austragenden Person einfach kein Konzept ist und über Personen fremdbestimmt wird. Durch die Aufhebung dieses Gesetzes steht die Entscheidung, ob ein legaler Schwangerschaftsabbruch möglich ist, jetzt ungeregelt bei den einzelnen Bundesstaaten, was es vor allem für Personen mit Uterus in Staaten wie z.B. Texas fast unmöglich macht, Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch zu bekommen. Gerade erst wurde einem 10-jährigen Mädchen nach einer Vergewaltigung in Ohio ein Schwangerschaftsabbruch verweigert. Das ist nicht nur ein massiver Eingriff in ihre körperliche Selbstbestimmung, sondern kann schon als Kindeswohlgefährdung gesehen werden. Personen mit Uterus werden immer abtreiben, es geht nur um die Frage, ob ihnen der sichere Zugang ermöglicht wird oder ob es unsicher in Hinterhöfen mit Kleiderbügeln geschieht.

Aber nicht nur im Falle dessen, dass man kein Kind möchte, sondern auch im Falle von gewollter Elternschaft wird Konsens zu oft nicht beachtet. So wird in Hetero-Ehen z.B. automatisch der Ehemann als Vater eingetragen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob beide Ehepartner*innen das wollen oder, wenn er nicht der Ehemann ist, was der eventuelle leibliche Vater möchte, der Staat entscheidet einfach. Wird aber nun ein Kind in einer homosexuellen Ehe z.B. von zwei Menschen mit Uterus geboren, muss die nicht-austragende Person das Kind adoptieren, obwohl Konsens über die Elternschaft besteht. Dafür müssen die Beteiligten in bestimmten Fällen zur Beratung in eine Adoptionsvermittlungsstelle, um die Voraussetzungen und die Eignung der Adoptionsbewerber*innen überprüfen zu lassen. Verschiedene Regelungen, u.a. die Dauer und Form der Beziehung betreffend (also Ehe, eingetragene Lebenspartnerschaft oder „nur“ feste Beziehung) spielen hierbei eine Rolle. In jedem Fall geht es aber zu einem Notar oder einer Notarin, um den Antrag beim Familiengericht einzureichen. Die Voraussetzungen werden in Gesprächen u.a. mit dem Stiefelternteil, dem oder den leiblichen Elternteil(en) des Kindes, dem Kind selbst und ggf. auch zukünftigen Geschwistern des Kindes geprüft. Erst nach der Bewilligung durch das Familiengericht ist die Adoption abgeschlossen. Wenn man das jetzt mit Hetero-Ehen vergleicht, zeigen sich doch extreme Unterschiede. Es kann nicht sein, dass man als lesbische Frau in einer Ehe trotzdem erst mal gesetzlich alleinerziehend ist, obwohl im Zweifelsfall mehr Konsens über die Elternschaft besteht, als in Hetero-Ehen.

Wir fordern daher Konsens auch auf Reproduktionsebene, egal ob in Bezug auf Schwangerschaft, Schwangerschaftsabbruch oder Elternschaft. Elternschaft erfordert einfach Konsens und das beginnt schon damit, dass ich frei darüber entscheiden kann, ob ich Sex möchte oder nicht, eine eventuelle Schwangerschaft austrage oder nicht und wer die Elternschaft für ein potentielles Kind übernimmt oder nicht.