lassfeierngehen

Lass feiern gehen, aber wo?

Anne | 27.05.22

Diesen Text habe ich zusammen mit Johanna Furthmann alias Lotschey verfasst. Sie ist DJ, Musikpädagogin und Aktivistin, hat 2021 das intersektional feministische DJ Kollektiv elektronischer Dauerurlaub mitgegründet und ist mit mir gemeinsam Teil des Laut!-Kollektivs, welches sich für FLINTA+ Personen in der Osnabrücker Musikbranche einsetzt.


Was ist dir wichtig, wenn du eine Party, öffentliche Veranstaltung oder ein Konzert gehen willst?

Welche Faktoren wirken auf deine Entscheidung und Planung ein: 

Gute Musik? Dass deine Liebsten mitkommen? Ein bestimmter Anlass? Das Line-Up? Der Eintrittspreis?

Zwar spielen all diese Faktoren bei mir und meinen Freund*innen auch eine Rolle, wenn es um die gemeinsame Planung unseres Nachtleben oder einer Freizeitaktivität geht, aber mir sind zwei weitere Punkte über die letzten Monate wichtiger geworden:

  1. Ist die Veranstaltung divers? und
  2. Gibt es dort Awarenessarbeit oder Konzepte für die Veranstaltung? 


Die erste Frage lässt sich oftmals durch einen Blick aufs Lineup etwas einordnen: 

Wer steht auf der Bühne? Was für ein Publikum bringt diese*r Künstler*in mit? Wie ist das Stammpublikum des Veranstalters?

Um sich ein Bild der potentiellen Crowd zu machen,könnte ein Blick auf die Social Media Profile, um unter anderem die Teams und Fotos von Veranstaltungen zu sehen, ein guter Tipp sein.  Was für Leute kannst du im Team und auf den Fotos erkennen.  Sind diverse Gruppen vertreten? Treten die Leute individuell auf oder passen sie sich einem gewünschten Dresscode an, um zum Beispiel an der Tür nicht abgelehnt zu werden? Sieht man auf den Fotos Menschen unter starkem Alkohol- oder Drogeneinfluss? Wirken die Leute so, als ob sie sich wohl fühlen oder sind es eher angespannte/gestellte Fotos. Ich achte auch darauf, wie das Verhältnis von Geschlechtern ist und ob diverse Gruppen vertreten sind.


Ich möchte in keinen Club gehen, der diverse Menschen wegen ihrer Sexualität, Geschlechtsidentität, Klasse oder Herkunft etc. diskriminiert, ablehnt oder gar nicht erst rein lässt.

Ich möchte keine Veranstaltung besuchen, auf der Täter*innen von Diskriminierung und Übergriffen eine Bühne geboten wird. Ich möchte (soziale) Räume besuchen, welche FLINTA+, Menschen mit Einwanderungsgeschichte, BIPoC, LGBTQIA+, Menschen mit Behinderung und andere marginalisierte Gruppen unterstützen und ihnen einen (möglichst) sicheren Raum bieten.


„Wir brauchen mehr weibliche, a-binäre, queere, schwarze und weitere nicht cis-männliche Menschen bei öffentlichen Veranstaltungen, denn die Gesellschaft ist divers. Und das soll sich auf Bühnen und Tanzflächen widerspiegeln.
Dass Vorbilder fehlen, liegt unter anderem auch daran, dass FLINTA+ und BIPOC weniger oder gar nicht gebucht werden. Zwischen 2017 und 2019 waren auf 34 deutschen Festivals nur 26% weibliche und 1,8% nicht-binäre Künstler*innen auf der Bühne. Sehr deutlich wird es, wenn wir uns die Geschlechterverteilung auf einem der größten Festivals in Deutschland angucken: Bei Rock am Ring waren in den letzten Jahren 97% der Acts männlich!
Warum ist das ein Problem? Music*Women Baden-Württemberg hat das sehr treffend zusammengefasst. Die Nicht-Repräsentation von FLINTA und BIPOC suggeriert: Hier ist kein Platz für euch. Ihr seid nicht gut genug. Festival-Gigs bedeuten Reichweite und Sichtbarkeit, die marginalisierten Gruppen oft verwehrt bleibt und damit Karrierechancen verringert. Die Diversität in unserer Gesellschaft muss sich auch auf der Bühne widerspiegeln, um Chancengleichheit herzustellen. Vielfalt ist ein Zugewinn! Es werden dadurch viel mehr Menschen angesprochen und repräsentiert, Festivals werden abwechslungsreicher und spannender.

Wenn wir Chancengleichheit wollen, müssen wir alle etwas dazu beitragen. Was im ersten Moment nach viel Arbeit und Verzicht klingt, führt dazu, dass wir ein solidarisches und diskriminierungsarmes Umfeld schaffen, in dem alle Menschen ihren Platz haben und haben dürfen. Nur durch das Bewusstsein und die Reflexion von unseren eigenen und den gesellschaftlich bestehenden sexistischen und rassistischen Machtstrukturen können wir gemeinsam etwas verändern“, so Johanna.

Wie oft hast du zum Beispiel bei einem Club-Besuch von dir eine Person am DJ Pult wahrgenommen, die kein weißer Mann ist? 

Fast alle Menschen hören Musik. Sensibilisiert euch und andere für dieses Thema. Johanna rät dazu, Musiker*innen aktiv zu supporten, indem du die Musik nicht nur auf Streaming-Plattformen wie Spotify hörst. Kauf CDs und Platten, geh auf Konzerte, folg ihnen auf Instagram, Facebook und Co. Teile Musik von weiblichen, queeren, schwarzen Künstler*innen mit deinen Freund*innen.


Kommen wir aber nun zur zweiten Frage. Gibt es dort Awareness? 


Awareness kommt vom Englischen 
to be aware und bedeutet sich über etwas bewusst zu sein. Dabei geht es auch um das Bewusstsein für deine eigenen Grenzen und die deiner Mitmenschen. 

Immer, wenn Menschen zusammenfinden, sei es in der Uni, auf der Arbeit, auf Partys, Festivals etc. kommt es zu Übergriffen. Diese können verbal, nonverbal und körperlich stattfinden. Ein Awareness-Konzept soll für die gesellschaftlichen Machtstrukturen, in denen wir leben und die zu grenzüberschreitendem Verhalten führen können, sensibilisieren. Und so Übergriffen vorbeugen.

Awareness-Konzepte unterstützen in erster Linie Betroffene, die in irgendeiner Form sexistisch, rassistisch, antisemitisch, homo-, transphob oder ableistisch diskriminiert werden. Besonders betroffen sind BIPoC, Menschen mit Einwanderungsgeschichte, FLINTA+ und LGBTQIA+. Wo ein Übergriff beginnt, bestimmt immer die betroffene Person und sie hat das Recht zu entscheiden, wie es nach dem Vorfall weitergeht. 

Nein heißt immer nein! Und noch wichtiger: Nur ja heißt ja! 


Hinweis an diesem Punkt: Awareness ist ein Prozess! Wir lernen alle immer dazu und können von Erfahrungen anderer profitieren.


Awarenesskonzepte werden derzeit noch hauptsächlich von Ehrenamtlichen Personen getragen. Es gibt einige Kollektive die sich in ihren Umgebungen für dieses Thema einsetzen und engagieren. Für die Veranstaltungen selbst werden auch oftmals Awarenessteams zusammengestellt, welche schichtweise dann während der Veranstaltung darauf achten, dass das Konzept umgesetzt wird und sind Ansprechperson.

Awareness braucht es nicht nur auf öffentlichen Veranstaltungen. Wenn du eine Party planst, überleg doch mal, wie du diese sicherer machen kannst Sind Fotos erlaubt? Stellst du Menstruationsartikel zur Verfügung? Gibt es ein, zwei Leute, die ein Auge darauf haben, dass sich alle wohl fühlen und niemand diskriminiert wird?


Wenn du dich über dieses Thema noch weiter informieren möchtest können Johanna und ich besonders die Arbeit von safethedance.de empfehlen! Dort gibt es Leitfäden, Plakate, kostenlose Aufklärungsarbeit und auch generelle Grundlagen eines sensibilisierten Miteinandes, wie zum Beispiel:

"Versucht nicht das Geschlecht einer Person über deren Aussehen festzumachen. Benutzt keine Pronomen, ohne die Person zu fragen, wie sie angesprochen werden möchte. Z.B.: Wenn eine Person nach einer Toilette fragt, gebt ihnen allgemeine Informationen, wo sich alle Toiletten befinden, entscheidet nicht für sie, welche die „richtige” ist." (https://safethedance.de/awareness-leitfaden/).

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