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Männergesundheit und Genderstereotype

Anne | 11.11.2021

TW psychische Erkrankungen, Suizid


„Egal was du wachsen lässt, du wirst einen Bro retten.“ - mit diesem Slogan fordert die Movember Kampagne Menschen dazu auf, sich einen Monat lang nicht zu rasieren, um Awareness und Spenden für das Thema Männergesundheit zu generieren.

Der Movember wurde 2003 von den zwei Australiern Travis Garone und Luke Slattery ins Leben gerufen. Movember ergibt sich aus den beiden englischen Begriffen Moustache und November. Denn zu Beginn der Aktion zielten die Teilnehmenden besonders auf das Wachsenlassen eines Schnurrbarts,  welche in den frühen 2000ern deutlich weniger im Trend lagen als heutzutage, ab.

Durch den auffälligen Bart soll Aufmerksamkeit für und eine Enttabuisierung der Männergesundheit erreicht werden. Viele Menschen verbinden ihre Unterstützung der Kampagne auch mit anderen Aktionen, um Aufmerksamkeit zu schaffen und Spenden zu sammeln: sportliche Herausforderungen, Informationsabende oder auch Partys, bei denen die Umsätze an Movember gespendet werden. Auch größere Brands wie zum Beispiel L'Oreal Men Expert, Gillette und auch Pringles beteiligen sich als offizielle Partner.  Die Movember Kampagne nutzt alle Spendengelder, um Projekte mit besonderem Fokus auf die Verbesserung und Enttabuisierung von Männergesundheit zu finanzieren.


Dann lass uns mal über Männergesundheit reden.

Die mentale Gesundheit von Männern ist immer noch stark tabuisiert, genauso wie Prostata- und Hodenkrebs. Diese drei Bereiche stehen im Fokus der Movember Kampagne. In diesem Text soll es aber hauptsächlich um die psychische Gesundheit von Männern gehen und warum unsere Genderstereotype dabei eine entscheidende Rolle spielen.

Bei Frauen werden doppelt so oft depressive Störungen diagnostiziert wie bei Männern. Das heißt aber nicht, dass Männer weniger von psychischen Erkrankungen betroffen sind. Laut der Movemberkampagne stirbt weltweit jede Minute ein Mann durch Suizid. 70-90 % dieser Suizide sind Folgen depressiver Störungen. Bei jungen Männern ist das damit die zweithäufigste Todesursache. Aber warum wird darüber so wenig gesprochen und Präventionsarbeit geleistet?

Das soziomedizinische Konzept der „Male Depression“ liefert einen möglichen Erklärungsansatz für dieses Phänomen, indem es drei wichtige Aspekte thematisiert: den männlichen Umgang mit Stress, häufige Fehldiagnosen und mangelnde Hilfesuche.

Alle drei dieser Probleme lassen sich auch auf das toxische männliche Rollenverständnis unserer Gesellschaft zurückführen. Der Mann wird als stark, belastbar und unemotional dargestellt. Stress wird häufiger verdrängt oder durch gereiztes und aggressives Verhalten verarbeitet. Außerdem wird über Stressempfinden weniger gesprochen und somit findet eine Sensibilisierung und Selbstreflektion in diesem Bereich erschwert oder kaum statt. Besonders das Symptom der Antriebslosigkeit, welches häufig bei psychischen Erkrankungen auftritt, kollidiert mit den Erwartungen an „erfolgreiche“ Männer in unserer Leistungsgesellschaft. 

Eine offene Auseinandersetzung mit der eigenen Gesundheit (psychisch wie physisch) wird Männern somit selten vorgelebt und beigebracht. Sie wird sogar eher tabuisiert und stigmatisiert.

Im Bereich der Hilfesuche zeigen empirische Studien, dass Männer weniger über physische und psychische Symptome berichten als Frauen. Sie sprechen seltener über ihr Empfinden und schätzen ihren Gesundheitszustand grundsätzlich besser ein, als er in Wirklichkeit ist, sowohl in sozialen Kreisen als auch bei Arztgesprächen. Männer nehmen nur halb so oft professionelle Hilfe in Anspruch wie Frauen, denn Hilfe und Hilfsbedürftigkeit wird für viele Männer mit einem potenziellen Statusverlust und negativen Folgen für ihre Männlichkeit verbunden. Hilfe anzunehmen ist heutzutage auch immer noch mit einigen Kosten verbunden, für alle Geschlechter. Wenn man zum Beispiel zu einer Beratungsstelle geht, sind die Öffnungs- und Gesprächszeiten dort in der Regel während der üblichen Arbeitszeiten - man müsste sich also frei nehmen und die eigenen Bedürfnisse über die beruflichen Verpflichtungen stellen. Da der Mann als stereotypischer Hauptverdiener in einer Familie gesehen wird, würde es somit wieder zu einem Dilemma zwischen der Rollenerwartung und der eigenen Verfassung kommen. Diese Aspekte spielen auch eine entscheidende Rolle für die Hilfsangebote, die es gibt. Verschiedene Symptomatiken sind seltener bekannt und es kommt häufiger zu Fehldiagnosen, durch die den betroffenen Personen nicht richtig geholfen werden kann.

Dieser Mangel an Diagnosen und die damit einhergehende Unterbehandlung psychischer Erkrankungen von Männern ist gefährlich und deswegen sind Bewegungen wie Movember lebensrettend. Ihr Ziel ist es, die Rate von frühzeitig sterbenden Männern um 25% zu senken. Und Awareness zu schaffen ist dafür ein erster entscheidender Schritt.


Quellen:

https://de.movember.com/about/mental-health

https://www.researchgate.net/profile/Armand-Hausmann/publication/5471731_Women_seek_for_help_-_Men_die_Is_depression_really_a_female_disease/links/5b8a68e0a6fdcc5f8b7642bc/Women-seek-for-help-Men-die-Is-depression-really-a-female-disease.pdf

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/Tabellen/suizide.html

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