produktiveinschlafen

Produktiv einschlafen und gesund aufwachen - so machen das Mütter

Petra | 15.11.22

 “Geht es dir gut? Du siehst etwas grau aus”, sagt die Krippen-Mitarbeiterin in gefährlich-freundlichem Ton zu mir, als ich meiner kleinen Tochter an diesem Montagmorgen in der Kita Schuhe und Jacke ausziehe. Mein erster Gedanke: Hab ich vorhin eigentlich noch kurz in den Spiegel geschaut, bevor ich aus‘m Haus bin? 

Ich bin mir nicht sicher, aber der nächste Gedanke ist sowieso viel wichtiger: Glaubt sie, dass ich krank bin und mein Kind somit vielleicht auch? (gefürchteter Subtext: Lass dein krankes Kind bitte daheim!) Ich lächle erprobt und sage “Echt? Nö, bei mir ist alles tutti, nur bisschen wenig geschlafen, das Übliche.” Sie ist beruhigt und erwidert mit wissendem Blick: “Na klar, das kennen wir doch alle - ist vielleicht bloß das Licht”. Oder das fehlende Make-up, denke ich bei mir. 


Neulich Morgen aber war ich tatsächlich wieder mal krank, und natürlich muss ich an dieser Stelle betonen, dass ich ziemlich selten krank bin, gemessen daran, dass ich Mutter eines Kleinkindes bin, das in die KiTa geht. Aber wenn ich krank bin, dann schmeißt mein Mutter-Hirn sofort eine gut geölte Gedankenmaschinerie an: Wie viele Krank- bzw. Kindkranktage habe ich dieses Jahr bereits verbraucht? Welchen Monat haben wir und wie viele Tage werden wohl noch anfallen (die kalte Jahreszeit naht, also großzügig überschlagen). Habe ich noch Corona-Tests zuhause? Lolli-Tests? Die sind bestimmt wieder in keiner Apotheke vorrätig, also nachher unbedingt gleich bestellen, braucht man jetzt sicher wieder öfter. Arzttermin ausmachen, besser mit Attest als ohne fehlen, aber hat die Hausärztin nicht grad Urlaub, Herbstferien und so? Sie meinte doch mal was von wegen sie habe selber Kinder… Ich schließe die Augen, das wird mir gerade zu wild, meine Arme und Beine fühlen sich an wie Blei, jetzt echt aufstehen und den Krankenstand planen? Ist mir viel zu anstrengend, vielleicht doch lieber zur Arbeit, ist weniger zu organisieren. 


Das Kind reißt mich aus meinen Überlegungen, es ist jetzt auch wach und will sein Frühstück, außerdem hat es ein nagelneues Töpfchen, das muss auch ausprobiert werden. Ich überlege kurz, ob ich uns beiden das nervenaufreibende Testen mit Erwachsenentests ersparen könnte – aber das kann man ja nicht bringen –, also quäle ich mich und mein Kind durch Rachen und Tränen. Danach schnell mal in den Spiegel schauen, das Ausmaß (und den prüfenden Kita-Mitarbeiterinnen-Blick abwägen). Zur Kita radeln, auf halbem Weg nochmal umdrehen, wir haben die Eule vergessen, das geht gar nicht. Endlich dort, fünf vor neun, puh, wir rutschen unauffällig rein, Kind abgeben, hat geklappt, aber klar, weder die eine, noch die andere Apotheke am Weg hat noch Lollitests. Ich schreibe meinem Mann, soll der sich drum kümmern, der ist eh noch unterwegs, war auswärts verpflichtet. 


Zuhause erst mal hinlegen, krass bin ich fertig. Noch im Halbschlaf fällt mir ein, dass ich mir für diese Woche eigentlich den Kühlschrank vorgenommen hatte. Kurz denke ich: Nein, das ist absurd, wirklich nicht. Du bist krank, bleib halt einfach mal flacken. Dann aber kommt der Gedanke wieder. Und dazu gesellt sich der Wäschekorb im Bad. Und der verstopfte Abfluss. Dem Hausinstallateur kann ich ja noch kurz ‘ne SMS schreiben, der muss das Rohr reinigen, und hey, perfekt, ich bin ja jetzt zuhause, da kann ich ihm nachher die Tür aufmachen, wenn er klingelt, Corona-Test war ja auch negativ, Maske hab ich daheim, voll korrekt, ich fühle mich fast, als wäre ich Herrin der Lage. Ah Shit, fast hätte ich vergessen, in der Arbeit anzurufen und noch schnell die Vertretung von der Hausärztin anzumailen, da war vorhin besetzt. 


Um elf wach ich auf, checke kurz Mails, hau mir eine halbe Avocado zwischen die Kiemen (#Selfcarefortherealworld!) und mach mir einen Tee. Dann putze ich den Kühlschrank und wasche zwei Ladungen Wäsche. Der Hausinstallateur kommt und reinigt den Abfluss, danach putze ich die Dusche und das Waschbecken, wie gut, dass auch meine Nase verstopft ist. 


Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass krank sein ganz schön praktisch ist, normalerweise hätte ich das alles erst nach dem Ins-Bett-Bringen erledigen können. Meine Mutter ruft an, erzählt von der vielen Arbeit in ihrem Garten und ich bin kurz sehr dankbar, dass ich keinen Garten habe. Mein Mann kommt heim, er hat Lolli-Tests bestellt und sich beeilt, damit er die Kleine aus der Krippe holen kann. Die will dann natürlich nur von mir vorgelesen bekommen. Also setze ich mich mit ihr auf die Couch und fange an zu lesen. Mich fröstelt, dann nicke ich ein. Sie protestiert, ich lese weiter. Schlafe wieder ein. So geht das ein paar mal hin und her. Sie klammert sich um meinen Hals und fragt: “Mama, gehts dir gut?” Und mir wird warm. “Ja”, murmele ich noch, irgendwann schlafen wir beide ein.

Am Nachmittag gehe ich zur Ärztin, es entspinnt sich folgender Dialog: 

“Sagen Sie bitte Ahhh”

“Ahhhh”

“Ah ja, alles rot bei Ihnen da hinten. Nebenhöhlen? Brauch ich gar nicht fragen, Sie näseln ja schlimmer als Til Schweiger. Haha. Und dann der obligatorische Ärzt*innen-Satz: “Sie gefallen mir gar nicht.”. Merci. “Brauchen Sie eine Krankschreibung?”

“Ja.”

“Haben Sie Kinder?”

“Ja, eins”. 

“Wie alt?”

“Zweieinhalb.”

“Oje, also null Ruhe. Dann schreib ich Sie erst mal bis zum Ende der Woche krank. Falls es dann nicht besser ist, kommen Sie wieder.”

Sie ist Mutter, sie weiß Bescheid. “Danke”, entgegne ich und frohlocke bereits, was ich bis zum Ende der Woche noch alles erledigen könnte, jetzt, wo ich safe daheim bin. Vorausgesetzt, mein Kind bleibt gesund. Und natürlich überlege ich schon mal, was ich wohl alles zu tun habe, wenn ich die Woche drauf wieder im Büro bin. Mails im Bett checken, das wissen arbeitende Mütter, gehört zum Kranksein halt einfach dazu. 


Dann gehe ich nach Hause und lese zum fünften Mal das Buch vom Waschbären, der jetzt aufs Töpfchen geht. Meine Tochter ist begeistert, das Thema beschäftigt sie offenbar intensiv, in Theorie und Praxis. Ich bin fast etwas neidisch, wie cool muss das sein, wenn man sich einfach nur mal einem Thema und einer Sache widmet?! Sobald sie schläft, widme ich mich daher intensive zehn Minuten dem nächsten halben Kapitel des Romans, der seit Anfang des Jahres auf meinem Nachtkästchen liegt. Dann kaufe ich online eine zu teure Face Palette mit drei verschiedenen Rouge-Tönen und schäme mich ein bisschen dafür, aber nur ein bisschen. Zuletzt denke ich dankbar daran, dass ich nicht alleinerziehend bin und nun immerhin um den anstehenden Bibliotheksbesuch herumkomme - keine weitere Töpfchen-Literatur diese Woche. Dann schlafe ich wieder ein. 


Was soll ich sagen, das Wichtigste als Mama ist ja, dass man emotional Oberwasser behält oder zurückgewinnt. Und aus Situationen lernt (#Selbstoptimierung!). Wir haben jetzt so eine Toniebox. Die Figur des kleinen Tigers von Janoschs Traumstunde hat ein Töpfchen, es ist das neue Highlight in der Kinderecke. Für den Fall, dass ich das nächste Mal ausfalle, gibt es also ein Backup. 


Aber das ist nicht absehbar, mir geht es bestens, denn eines ist klar: Avocado ist nicht nachhaltig, aber gesund. Und am schnellsten wird man eh gesund, wenn man ein Kind hat. Aus Liebe? Wahrscheinlich. Weil es gar nicht anders geht? Wahrscheinlicher.

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