Que Sera #1

Qué será?

#1: Feministischer Kampftag: Wer wollen wir sein?

Karla | 24.02.22

Es ist Ende Februar. Ihr wisst, was das heißt: Bald regnet es wieder Rabattcodes für Schmuck und Kosmetik in jedem Onlineshop, Zitate von bekannten Frauenrechtlerinnen auf Twitter und endlose Reden von Politiker:innen, die an jedem anderen Tag im Jahr eigentlich auf Frauenrechte scheißen, am 8. März aber mal eine Ausnahme machen. Richtig geraten, bald ist Internationaler Frauentag - oder besser gesagt Feministischer Kampftag  - und wie jedes Jahr werden wir uns auch diesmal fragen, wie es sein kann, dass kapitalistische Unternehmen die Debatte um diesen Tag dominieren.

Wir werden uns fragen, was zur Hölle das jetzt wieder für ein Theater war und warum die Gleichstellung der Geschlechter noch immer auf sich warten lässt, obwohl die Zusammenstellungen von „starken Frauen” und die „Girlpower”-Playlists doch wieder so unglaublich inspirierend gewesen sind. Und wir werden sagen: „Kann ja wohl nicht sein, dass dieses Symbol der Revolution, das aus der sozialistischen Arbeiterinnenbewegung stammt, jetzt von profitgeilen Kapitalist:innen missbraucht wird!” Und andere werden darüber diskutieren, warum wir Feminismus heute noch brauchen, à la „Wussten Sie eigentlich, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer?!” Irgendein Typ in einer Kommentarspalte wird schreiben: „Und wann ist Weltmännertag, zwinker, zwinker?” Und am Ende hat sich wieder nichts geändert und niemand hat gewonnen, außer natürlich den Blumenläden.
Weil die Eckpunkte der - eigentlich sehr wichtigen, richtigen - Debatte um den Feministischen Kampftag mittlerweile so dermaßen oft durchgekaut worden sind, war ich mir unsicher, ob ich das Thema in dieser ersten Kolumne wirklich ansprechen soll.
Dazu schweigen will man ja irgendwie auch nicht, denn das hieße Resignation, und Resignation ist keine Option im Feminismus. Das zeigt sich ja schon an den Ursprüngen des Feministischen Kampftages, der sich nicht einmal unterbuttern ließ, als er im Nationalsozialismus verboten wurde. Als Symbol für den Widerstand wurden damals am 8. März rote Gegenstände aus den Fenstern gehängt und illegale Flugblätter verteilt.
Seitdem hat sich einiges verändert. Die feministische Bewegung sieht heute ganz anders aus und beschäftigt sich natürlich auch mit anderen Themen als im Zweiten Weltkrieg oder auch in ihrer Entstehungszeit, in der vor allem für das Wahlrecht für Frauen, für faire Arbeitsbedingungen und für die Überwindung des Kapitalismus gekämpft wurde.
Mittlerweile sind viele Menschen der Ansicht, dass der Feminismus nicht nur seine Daseinsberechtigung, sondern auch seinen kämpferischen Charakter verloren hat. Dabei ist beides mehr denn je vorhanden, wenn man sich ein bisschen tiefer als pfützentief mit der Sache beschäftigt. Wir haben jedoch heute sehr viel mehr Auswahl, welche Art von Feminist:innen wir sein wollen, und auf welche Forderungen und Ziele wir unseren Fokus richten. 
Dass der richtige Fokus in letzter Zeit vielleicht ein wenig flöten gegangen ist, zeigt die Debatte um ein Foto, das vergangene Woche in Folge der Münchner Sicherheitskonferenz aufgenommen wurde. Das Foto ging durch die Presse, nachdem ein paar Leuten aufgefallen war, dass alle Personen beim „CEO-Lunch” alt, weiß und männlich gewesen waren. Ja, blöd. Ich hätte mir auch ein bisschen mehr weibliche Repräsentation gewünscht unter all diesen Topmanagern und Milliardären, hochrangigen Militärs und Waffenfabrikanten.
Krieg, but make it female! Während MSC-Chef Wolfgang Ischinger dafür in der Kritik steht, dass er angeblich bei Treffen in Hinterzimmern der Konferenz Deals mit dem Rüstungskonzern Hensoldt abgeschlossen haben soll, fällt der linksliberalen Internet-Bubble nichts Besseres ein, als mehr Diversität zu fordern. Waffenhandel ist natürlich komplett okay, solange bei Heckler & Koch nur irgendwann eine Frau an der Spitze sitzt, die in wahrer Girlboss-Manier für jedes Sturmgewehr ordentlich Kohle einstreichen kann. An sich gibt es natürlich zu denken, wenn da eine reine Männerrunde sitzt, die so viel Macht hat.

Aber ist das wirklich das, was wir hier anprangern sollten? Brauchen wir wirklich mehr diversity in Rüstungskonzernen? Sollte das Ziel nicht eher die Zerschlagung von Rüstungskonzernen sein? Denn Krieg führt, mehr als alles andere, zu einer Verschlechterung der Situation für Frauen und Mädchen - er führt zu vermehrter sexualisierter Gewalt, fördert Armut insbesondere von Frauen und macht Bildung unmöglich. Und ob es dann eine Frau ist, die die Hand auf dem roten Knopf hat, ist im Endeffekt ziemlich egal. Natürlich hat auch Identitätspolitik ihren Platz im Feminismus. Aber dieses neoliberale Wischi-Waschi, das keine Ideen hat, außer Frauen in Führungspositionen zu befördern und T-Shirts mit Vulven zu bedrucken, kann dem Feminismus auf lange Sicht nur schaden (Neoliberalismus und Feminismus). Anstatt unseren Fokus auf Repräsentation und Marketing zu richten, müssen wir die Unterdrückungsverhältnisse selbst angreifen, denen marginalisierte Gruppen ausgesetzt sind.

Es ist schade mit anzusehen, wie die feministische Bewegung sich untereinander bekriegt, anstatt an einem Strang zu ziehen. Während transfeindliche Radikalfeminist:innen in Grundsatzdiskussionen darüber verstrickt sind, wer sich überhaupt als Frau bezeichnen darf, und der Diskurs ansonsten ungefähr beim Gendern steckengeblieben ist, häufen sich ganz andere Probleme an, auf die wir unser Augenmerk richten sollten. Zum Beispiel verschlimmert die Corona-Pandemie insbesondere die Lage von FLINTA-Personen: Die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt ist enorm angestiegen. Außerdem sind vor allem Frauen in systemrelevanten Berufen wie der Pflege und durch Care-Arbeit zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Die tatsächliche Realität von Menschen, die selber keine Stimme im Diskurs haben, bleibt viel zu oft unter dem Radar. Deshalb möchte ich am diesjährigen feministischen Kampftag dafür plädieren, dass wir uns noch einmal fragen: Wie ordnen wir uns eigentlich in der feministischen Bewegung ein? Welche Themen liegen uns wirklich am Herzen, und welche eher nicht? Und wie können wir den Diskurs ausgehend von leicht verdaulichen, liberalen Thematiken auf tiefergreifende Probleme lenken, um tatsächliche strukturelle Veränderung zu erzielen?


Als ich im November letzten Jahres fragte, wie unsere Kolumne eigentlich heißen soll, schlug
Alissa ziemlich schnell den Titel Qué será vor. Ich konnte mir darunter zuerst nicht wirklich etwas vorstellen. Was ist das überhaupt für eine Frage - was wird sein? Können wir mit gerade einmal Anfang zwanzig schon darüber spekulieren, wie die Zukunft aussehen wird? Unser Ziel war es schließlich, über Dinge zu schreiben, die gerade in Deutschland und überall auf der Welt passieren, über gegenwärtige gesellschaftliche Themen, über Ereignisse und Entscheidungen, die jetzt gerade in diesem Moment eine Rolle spielen. Was einmal sein wird oder auch nicht, das kann doch sowieso niemand wissen - oder? 


Doch mittlerweile glaube ich, dass wir uns diese Frage sehr viel öfter stellen, als wir denken. Ich zum Beispiel stelle mir die Frage, wie der Feminismus einmal aussehen wird. Ich frage mich, welche Erwartungen wir an uns selber haben können.
Am feministischen Kampftag müssen wir unsere Wut gegen den Status Quo bündeln, denn nur gemeinsam können wir wirksam gegen ein ausbeuterisches und unterdrückerisches System handeln. Bis dahin hoffe ich, dass die bei IKEA am Frauentag auch Rabatte haben, denn ein neues Regal brauch ich gerade dringender als Pralinen.

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