Triggerwarnungen

Weil „wir” nicht einfach nur eine Generation „wehleidiger Schneeflöckchen” sind & wieso wir Trigger-Warnungen trotzdem ernst nehmen

Dunja | 09.12.21

Trigger-Warnungen - ein schier endloser Diskurs, der in den letzten zwei Jahren immer mehr an Fahrt aufgenommen hat. Setzen die einen Warnungen, wettern die anderen dagegen, dass dies eine Unnötigkeit, lächerlich oder gar ein Spoiler sei. 

Da anscheinend vor allem jüngere Menschen das Konzept unterstützen und fordern, wird immer öfter gefragt und diskutiert:  „Wächst eine Generation wehleidiger Schneeflöckchen heran?” Meine persönliche Antwort hierauf lautet eindeutig: NEIN.

Wieso? Erfahrt ihr gleich, jetzt erst einmal von Anfang an - was sind Trigger-Warnungen und wieso werden sie gebraucht?

Die nun schon so oft genannten Trigger-Warnungen sind Notizen oder Schlagwörter, welche, oftmals schriftlich, Rezipient*innen vor den zu erwartenden Inhalten (z.B. eines Textes, Films, Theaterstücks) warnen und somit  vor bestimmten Auslösereizen schützen sollen. Trigger-Warnungen können grob in drei Kategorien unterschieden werden: 


  • Trigger-Warnungen als Warnung vor allgemein traumatischen Erfahrungen, wie z.B. sexueller Gewalt oder Gewalterfahrung durch welche Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung hervorgerufen werden könnten
  • Warnungen „für Darstellungen, die Auslösereize in Verbindung mit psychischen Störungen (Essstörungen, Suizidvorstellungen, Depressionen usw.) beinhalten.“
  • Trigger-Warnungen für unangenehme gesellschaftliche Erfahrungen und sensible Themen (z.B. Ethnie, sexuelle Orientierung, Behinderungen, Kolonialismus, Folter), meist beruhend auf Machtgefällen der Gesellschaft 


Etabliert haben sich Trigger-Warnungen zuerst übrigens im Internet auf Plattformen wie Reddit oder Tumblr. Hier gibt es eine super Funktion: Willst du für deinen Beitrag eine Trigger-Warnung setzen, mache einfach noch einen Hashtag davor. Somit können Benutzer*innen auf sozialen Netzwerken sogenannte “Blacklists” erstellen. Alle auf der Liste angegebenen Hashtags werden der Person überhaupt nicht mehr angezeigt und somit kann mensch individuell vorbeugen, sich mit bestimmten (re-)traumatisierenden Themen ungewollt auseinandersetzen zu müssen.
Also: Helft anderen, indem ihr Hashtags mit Trigger-Warnungen setzt oder euch bei sozialen Plattformen erkundigt, was diese für weitere Möglichkeiten bieten.

Doch obwohl die Warnungen einzelne Menschen schützen können, stören sich viele an den kurzen, Medien vorangestellten Notizen. Ein gerne verwendetes Argument ist der Spoiler-Faktor, den die Warnungen mit sich bringen würden. Aber ganz ehrlich: eigentlich nicht wirklich. Schaut mensch sich zum Beispiel die Warnung der Münchner Kammerspiele für ihr Stück Like Lovers Do (Memoiren der Medusa) verrät sie nicht mehr oder weniger als in diesem Rahmen notwendig:


„Triggerwarnung: Der Text enthält viele Schilderungen von sexualisierten Gewalthandlungen, die belastend und re-traumatisierend wirken können.”


Hier wird kurz und knapp angegeben, dass in der Handlung des Theaterstückes sexualisierte Gewalt behandelt wird und zwar wiederholt. Außerdem wird thematisiert, dass der Inhalt nicht nur für Menschen mit einer traumatischen Vorerfahrung, sondern generell belastend sein kann. Und ehrlich gesagt, ist das ein generell guter Hinweis, falls mensch einfach mal eine/n schlechten Tag/Phase hat, deswegen auf solch potentiell belastende Thematik gut verzichten kann und vielleicht lieber eine Komödie sehen möchte. Darum können eigentlich alle von Trigger-Warnungen profitieren.

Kommt es allerdings zu Filmen oder Theaterstücken, die oftmals einem Kanon von Klassikern zugeordnet werden, hagelt es neue Kritik: Zum Beispiel schreibt Marion Löhndorf in ihrem Artikel Vor Shakespeare wird nun selbst am Globe Theatre gewarnt – seine Dramen könnten Leute ,triggern‘. Da will man meinen: hoffentlich!, dass ja nach mehr als 400 Jahren bekannt sein müsste, was in Shakespeares Romeo und Julia passiert. 

Und ja, auch wenn sehr viele Menschen wissen, worum es in Romeo und Julia geht, ist es verantwortungsvoll, wenn Theater Trigger-Warnungen setzen - denn sehr viele Menschen sind nicht alle Menschen. Und hier trifft der Diskurs auf einen wunden Punkt: Verallgemeinerung und Universalitätsdenken.

Was im Bewusstsein vieler noch nicht angekommen ist: Es ist nicht einfach normal, keine Trigger-Warnungen zu brauchen, sondern eine äußerst privilegierte Position. Etwas flapsiger formuliert, aber genauso wahr: Mensch soll nicht von sich auf andere schließen.

Ob oder wie belastend Inhalte oder Themen für Individuen sein können ist - wer hätte es gedacht - individuell. Und es gibt keinen Grund, einzelne Menschen in unserer Gesellschaft nicht durch Trigger-Warnungen zu schützen, wenn es den Aufwand von ein paar Worten bedeutet und sich nicht oder wenn dann positiv auf all die auswirkt, die die Warnungen persönlich nicht unbedingt brauchen. Denn: gibt es die Trigger-Warnungen, werden diejenigen, die sie brauchen sowie auch ihre Gründe etwas sichtbarer gemacht in unserer Gesellschaft. 

Und nun ein Shortcut zurück zu den wehleidigen Schneeflöckchen der jüngeren Generationen: Wir sind sicher keine Schneeflocken, auch dies auf eine gesamte Generation zu übertragen ist im Übrigen eine Verallgemeinerung. Die Bezeichnung wird verwendet um uns als besonders „sensibel” darzustellen. Ob junge Menschen im Jahr 2021 generell sensibler sind - darüber maße ich mir nicht an, eine Einschätzung abzugeben. Aber ich bin mir sicher, es gibt einige unter uns, die sich in Fragen der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung sensibilisiert haben, die selbst von Traumata betroffen sind und/oder einfach kapiert haben, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Rucksäcke voller Erfahrungen mitbringen. Und das an einigen besonders schweren Rucksäcken Strukturen unserer Gesellschaft schuld sind. Vielleicht sind wir als „Schneeflöckchen” ja einfach etwas mehr für Verständnis und Hilfe gegenüber Einzelnen sensibilisiert.


Quellen:

Blazekovic, Aurelie von. „Starre Sturheit,“ Süddeutsche Zeitung, 18.10.2021, letzter Zugriff am 05.12.2021, https://www.sueddeutsche.de/kultur/svenja-flasspoehler-sachbuch-sensibel-1.5441600

Derfler, Sophie. Trigger-Warnungen. Hochschulen zwischen Grundrechten und Identitätspolitik.

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2021. 

Like Lovers Do (Memoiren der Medusa) , Münchner Kammerspiele, letzter Zugriff 05.12.2021, https://www.muenchner-kammerspiele.de/de/programm/1435-like-lovers-do-memoiren-der-medusa. 

Löhndorf, Marion. „Vor Shakespeare wird nun selbst am Globe Theatre gewarnt – seine Dramen könnten Leute ,triggern‘. Da will man meinen: hoffentlich!“, Neue Zürcher Zeitung, 01.09.2021, letzter Zugriff am 05.12.2021, https://www.nzz.ch/feuilleton/shakespeare-triggert-nun-wird-in-london-vor-ihm-gewarnt-ld.1642285. 

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