Unbefriedigt

Unbefriedigt

Anonym | 11.08.21

Ich gebe zu, auch ich habe eine kleine Schwäche für Dessous und fühle mich darin alles andere als unwohl. 

So hatte ich mir meinen Valentinstag mit meiner ersten “richtigen” Liebe nicht vorgestellt. Am 13.02. störte mich hauptsächlich, dass zu dem Negligé, das ich bestellt hatte, das passende Strumpfband nicht rechtzeitig ankam. Das sollte aber in den nächsten 24 Stunden mein kleinstes Problem werden. 

Auf die Frage, was in einer Beziehung am wichtigsten ist, hört man oft Dinge wie Vertrauen, Treue und ein bisschen Humor schadet auch nicht. Das sind natürlich alles ehrenhafte Anforderungen. Für mich allerdings fehlt noch ein wichtiger Aspekt: Sex. Doch leider kommt es nicht selten vor, dass ich für meine Ehrlichkeit diesbezüglich (zum Beispiel bei Trinkspielen) komische Blicke ernte. 

Doch zurück zum Tag der Liebe: Es war der erste Valentinstag an dem ich vergeben war. Deshalb wollte ich meinem Schatz eine ganz besondere Freude machen. Mit Dingen, von denen die meisten meinen, dass sie Männern gefallen. Ich gebe zu, auch ich habe eine kleine Schwäche für Dessous und fühle mich somit in solcher Kleidung alles andere als unwohl. 

Nachdem wir mit den Schokocroissants, die ich extra für ihn beim Bäcker geholt hatte, fertig waren, sollte es losgehen. Voller Selbstvertrauen und nach einem letzten Check im Spiegel wollte ich ihm das Geschenk präsentieren: nämlich mich. Als er mich einige Sekunden später darin sah, sagte er: „Sieht hübsch aus.“ Ich war irritiert. Warum zieht er mich nicht zu sich, um mich zu küssen? Oder warum reißt er mir nicht gleich das heiße rote Kleidchen vom Leib? Auch Stunden später ist nichts dergleichen passiert.

Soviel zu meinem ersten Valentinstag, der leider nicht auf die erhoffte Art ins Höschen ging. Denn mein Freund setzte sich vor den PC und zockte League of Legends und ich sah immer noch aus wie ein grelles Bonbon und verzog mich weinend im Bett.

Ich fühle mich wohl in meinem Körper und habe bei Männern, mit denen ich Sex habe, kein Problem damit, mich zu zeigen. Der Grund, warum ich weinte, war also nicht, dass ich das Gefühl hatte, er fände mich nicht attraktiv oder sexy, sondern dass ich wieder einmal zu spüren bekam, dass Sex für ihn keine so große Rolle spielt, wie für mich.

Oft habe ich von Freundinnen den Satz gehört: „Sex ist doch nicht alles, es gibt wichtigere Dinge in einer Beziehung.“ Ja und Nein liebe Freundinnen: Sex ist nicht alles, aber wichtig ist er mir trotzdem.

Natürlich ist allen Menschen selbst überlassen, wie oft und auf welche Art sie mit ihren Partner*innen intim sein möchten. Aber für meinen Teil hat das nicht ausgereicht. Diese Beziehung hat mich auch auf emotionaler Ebene nicht befriedigt. Denn ich möchte und kann meine Liebe gerne und am besten durch körperliche Nähe ausdrücken. Intimität und Zärtlichkeit - das ist eben meine am stärksten ausgeprägte „Sprache der Liebe“. Ich musste eines Tages einsehen, dass in dieser Beziehung das, wonach ich mich so sehr sehnte, nicht eintreten würde. 


Warum erzähle ich euch das alles? Weil es bei diesem Thema kein richtig und kein falsch gibt. Das wichtigste ist es, sich wohl zu fühlen, egal ob ein Mal im Jahr oder 5 Mal täglich Sex. Weil ich hoffe, dass ich euch (vor allem die Frauen, die das hier lesen) ein bisschen ermutigen kann, bei der Frage “Und was ist dir wichtig in einer Beziehung?” ehrlich zu sein, auch wenn eure Antwort vielleicht nicht den oben genannten Standard-Aussagen entspricht. Weil ich hoffe, dass diese Blicke weniger werden und ich mich als Frau nicht mehr dafür schämen will, dass Sex für mich in einer Beziehung ganz weit oben steht. Vielleicht auch einfach, um euch zu sagen: Don’t settle for less

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