gästebuuhangst

Fotos by Franca Lange

Angst.


Franca Lange | 17.01.22

CW: Angststörung.


Ich erinnere mich noch genau daran, als ich das erste Mal eine Panikattacke hatte. Ich war fünfzehn und hatte schonmal was davon gehört, jedoch war mir die ganze Sache so unbekannt, dass ich das, was mit mir passierte, nicht einschätzen konnte und schon gar nicht wusste, woher es überhaupt kam. Es war nachts und mein Herz begann wie wild zu rasen, ich dachte ich bekomme einen Herzinfarkt. Dann begann ich zu weinen, weil ich nicht wusste, was mit mir passiert…Würde ich sterben? Hatte ich eine Krankheit, von der ich nichts wusste? Das waren die Gedanken, welche mir durch den Kopf gingen. Später stellte sich heraus, dass das Weinen ein Art Reflex meines Körpers war, um mich wieder zu beruhigen, wie ein Ventil, was ich intuitiv zu nutzen lernte.

Ich war mir sicher,

dass ich diese Nacht nicht überleben würde.

Von diesem Moment an hatte ich jede Nacht Herzrasen - ich hatte Angst, abends schlafen zu gehen und mit der Zeit entwickelten sich andere typische Symptome, wie Kribbeln in den Fingern und im Bauch, Schwindel und eine gewissen Benommenheit. Manchmal fühlte ich mich während des Alltags, als würde ich unter einer Glasglocke sitzen. Ich dissoziierte, manchmal fühlte es sich an, als würde ich über meinem Körper schweben. Die schlimmste Panikattacke hatte ich in der Nacht meines sechzehnten Geburtstags. Damals waren das nicht nur ein paar Minuten, sondern es zog sich über Stunden und ging auch nicht am nächsten Morgen weg. In dieser Nacht hatte ich Atemprobleme, Kopfschmerzen und solch starkes Herzrasen, dass ich der festen Überzeugung war, dass ich sterben würde. Ich war mir sicher, dass ich diese Nacht nicht überleben würde. Ich tat es, zum Glück, doch mein Leben hatte sich verändert.   


Nach ein paar Monaten ging ich deswegen das erste Mal zu meinem Hausarzt. Ich wollte ausschließen, dass ich eine physische Krankheit hatte. Mein Arzt sagte mir jedoch, dass Kopfschmerzen „alles und nichts“ sein könnten und er daher kein MRT verschreiben wolle. Also ging ich zu einer anderen Ärztin, die es sofort möglich machte. Einige Wochen später ging ich also zum MRT, in der festen Überzeugung, einen Hirntumor zu haben. Danach machte ich noch einen Bluttest, ging zum Augenarzt und machte ein EKG. Alles war okay.


Meine Arztbesuche endeten bei einer Psychologin, welche mich einen Test machen ließ, um festzustellen, dass ich eine Angststörung hatte - und dazu noch eine recht gravierende. Ich hatte viele der typischen Symptome und sollte von nun an eine Therapie beginnen. Ich sah nicht, wie sich das Problem durch reden lösen sollte, zumal ich mich dieser Therapeutin gegenüber nicht öffnen konnte. Außerdem hatte ich zu dem Zeitpunkt schon seit zwei Monaten keine akuten Panikattacken gehabt, es war eher eine bestehende Angst und Nervosität, welche mich durch meinen Alltag begleitete und manchmal schlimmer wurde.


Langsam begann ich zu verstehen, dass ich zwar körperlich gesund war, jedoch psychisch nicht so richtig. Ich musste erstmal lernen, dass nur, weil man etwas nicht sieht, es trotzdem da sein kann. Ich begann auch, meinen Körper zu verstehen, ich erkannte Symptome und lernte sie von „richtigen“ Schmerzen zu unterscheiden. Dies half mir, besser mit der Sache umzugehen. Heute, fünf Jahre später, habe ich nur noch sehr selten akute Panikattacken und wenn doch, weiß ich damit umzugehen. Trotzdem sind die Nervosität und die Dissoziation meine alltäglichen Begleiterinnen geworden. Besonders die Angst schleicht sich immer mehr in andere Bereiche meines Lebens und beeinflusst mein Handeln. Beispiele sind das Knüpfen neuer Kontakte wie bei einer Party, oder in Bars, oder direkte Konfrontationen mit vielen fremden Menschen. Schon alleine die Vorstellung macht mich nervös.


Ich habe diese Angst lange Zeit verflucht und mir gewünscht, dass sie gar nicht erst da wäre. Irgendwann verstand ich jedoch, dass die Angst an sich nicht das Problem ist, denn sie soll ja den Menschen vor Gefahren schützen. Dass der Körper einen warnt, zeigt eigentlich nur, dass irgendwas nicht stimmig ist, etwas, was das Unterbewusstsein als Bedrohung empfindet, weil man es nicht kontrollieren kann zum Beispiel. Oft dient die Angst auch als sekundäre Emotion, also als Reaktion

auf eine primäre Emotionen. Man sollte sich also fragen warum man gerade eigentlich Angst hat und genau das habe ich auch getan, bzw. mache ich immer noch, um Situationen abzuwägen. Vielleicht nutzt der Körper die Angst auch einfach nur als Mittel zum Zweck, um zu sagen: „Hey schau mal her, hier stimmt was nicht.“

Seid

sanft

zu euch

und

eurem Körper.

Letztendlich habe ich keine wirkliche Therapie gemacht. Ich bin zwar zu Sitzungen gegangen, habe aber gemerkt, dass ich persönlich nicht den größten Nutzen daraus ziehen konnte und habe zum Glück selbst rausfinden können, wie ich damit umgehen kann. Bei akuter Panik hat mir immer geholfen mit den Menschen, die mich gerade in der Situation umgeben haben zu reden, dann hatte ich schomal weniger das Gefühl ich müsse was verstecken. Außerdem gab es einen Song, welcher mich in solchen Situationen immer beruhigt hat, indem ich ihn repetetiv hörte.


Zusätzlich half, bzw. hilft mir auch immer noch, in kreisenden Bewegungen über meine Brust-, bzw. Bauchgegend zu streichen und natürlich kontrolliertes und regelmäßiges Ein- und Ausatmen. Und wie schon erwähnt, war Weinen für mich ein unglaublich wichtiges Ventil, weil ich dadurch einfach Stress und angestaute Emotionen freilassen konnte. Um aber generell gegen Angst und Nervosität vorzubeugen, habe ich versucht mir eine Routine zu gestalten, in der ich zum Beispiel Yoga, oder Sport eingebaut habe. Tägliche Bewegung hilft einfach den mangelden Ausgleich zu schaffen und gleichzeitig werden überschüssige Energien abgebaut.


Eine andere Übung war Tagebuch schreiben – einfach alle Emotionen ungefiltert auf Papier bringen. Wie genau man mit Angst, bzw. Panik letztendlich umgeht, ist vermutliche bei jedem Menschen unterschiedlich, deswegen habt Geduld, falls ihr selbst betroffen seid, redet offen mit vertrauten Menschen, sucht euch professionelle Hilfe, falls ihr das möchtet, aber vor allem seid sanft zu euch und eurem Körper.   

Franca Lange


Franca ist 20 Jahre alt und wohnt seit ein paar Monaten in Berlin. Sie interessiert sich für Kunst, Literatur in Form von Lyrik, Psychologie, Philosophie und tausend andere Sachen. Sie vertreibt sich die Zeit mit Malen, Zeichnen und Gedichte schreiben (zumindest wenn sie gerade eine kreative Phase hat). Ansonsten sucht sie nach dem Sinn des Lebens und treibe so vor sich hin - mit dem Ziel, Kunst zu studieren.

Social Media: @francaaurelie

Share by: